Aneurysma: Formen, Ursachen, Symptome, Diagnose, Therapie
Aneurysmen – Krankhafte Erweiterung der Blutgefäße
Inhalt →
Mit dem griechischen Wort Aneurysma, Erweiterung, bezeichnet man dünnwandige Aussackungen der Blutgefäße. In fast allen Fällen handelt es sich um Arterien, die von dieser Erkrankung betroffen sind. Aneurysmen sind meistens die Folge arteriosklerotischer Veränderungen und am häufigsten in den Schlagadern zu finden. Große Aneurysmen müssen rechtzeitig behandelt werden, denn ein Reißen der Gefäßwand kann innerhalb kürzester Zeit zum Tode führen.
Aneurysma: Definition
Mit Aneurysmen bezeichnet man umschriebene Ausbuchtungen von Gefäßen unter Beteiligung aller Wandschichten. Sie sind die Folge angeborener oder erworbener Wandveränderungen. Grundsätzlich können alle Blutgefäße davon betroffen sein, aber meistens finden sie sich an der Aorta und anderen großen Arterien.
Es handelt sich um eine «chronische Gefäßerkrankung», die eine Sonderform der Arteriosklerose darstellt. Dabei kommt es zu einer zunächst eng umschriebenen degenerativen Wandausdehnung einer Arterie, die zusehends länger und umfangreicher wird. Eine solche Gefäßerweiterung bezeichnet man als Aneurysma, wenn beispielsweise die Bauchschlagader über drei und die Beckenarterie mehr als zwei Zentimeter Durchmesser erreicht hat. Das entspricht einer Verdoppelung des normalen Durchmessers.
Aneurysma: Formen der Erkrankung
Je nach der «Form der Ausbuchtung» unterscheidet man
- spindelförmige Aneurysma (A. fusiforme, A. cylindricum),
- geschlängelte Aneurysma (A. serpentinum,
- sackförmige Aneurysma (A. sacciforme),
- traubenförmige Aneurysma (A. racemosum, A. cirsoideum) oder
- kahnförmige Aneurysma (A. naviculare, A. cuneiforme) Aneurysmen.
In Abhängigkeit von der «Ausdehnung auf die verschiedenen Wandschichten» der betroffenen Arterie spricht man von
- Echtes Aneurysma (A. verum): Die Ausbuchtung betrifft alle drei Schichten der Gefäßwand, die sich nach außen stülpen. Wandschichtung und Gefäßfunktion bleiben erhalten.
- Falsches Aneurysma (A. spurium, A. falsum): Hierbei handelt es sich nicht um eine echte Ausbuchtung der Gefäßwand, sondern um ein Hämatom. Dieses entsteht nach einer Gefäßverletzung durch eine Einblutung in die Umgebung. Es endothelisiert und wird von einer bindegewebigen Kapsel eingeschlossen.
- Gespaltenes Aneurysma (A. dissecans): Hier ist die innerste Gefäßwand (Intima) verletzt, sodass Blut zwischen diese und die mittlere Gefäßwand (Media) kriecht. Diese Aufspaltung kann sich weiter ausbreiten. Gegebenenfalls kanalisiert dieses Aneurysma und mündet in einiger Entfernung wieder in das Gefäß ein.
- Arteriovenöses Aneurysma (A. arteriovenosum): Bei dieser seltenen Form kommt es zu einer Verbindung zwischen einem arteriellen und einem venösen Blutgefäß. Der venöse Teil weitet sich dabei aus. Diese Form entsteht aufgrund einer Verletzung beider Gefäße, durch den Einbruch eines echten Aneurysmas in die Vene oder durch die Ausweitung einer arteriovenösen Anastomose.
Eine weitere Unterscheidung kann man nach dem Ort des Auftretens vornehmen. Relativ häufig sind
- Bauchaortenaneurysma der infrarenalen Bauchschlagader (Aorta abdominalis). Diese Form macht über 90 % aller Aneurysmen aus.
- Thorakales Aneurysma an der oberen Bauchschlagader im Bereich des Brustkorbes
- Popliteaaneurysma in der Kniebeuge
- Intrakranielles oder zerebrales Aneurysma in den Gefäßen der Hirnbasis, vor allem dem Arterienring (Circulus arteriosus cerebri) und der mittleren Hirnarterie (A. cerebri media)
- Herzwandaneurysma an der Wandung des Herzmuskels, vor allem nach Herzinfarkt und daher bevorzugt an der linken Herzkammer.
Aneurysma: Ursachen
Arteriosklerose ist mit über 80 % die Hauptursache für Aneurysmen. Dementsprechend erkranken Männer rund fünfmal häufiger als Frauen und ältere Menschen häufiger als junge. Je weiter distal ein Aneurysma auftritt, desto wahrscheinlicher ist es arteriosklerotischen Ursprungs. Durch die Arteriosklerose nimmt die Elastizität der Gefäßwand ab, sodass die Pulswelle des Herzens schlechter aufgefangen werden kann und es zu Gefäßerweiterungen kommt.
In selteneren Fällen sind Aneurysmen erblich bedingt oder auf Entzündungen der Gefäßwand, Bindegewebserkrankungen, Infektionen oder traumatische Ereignisse zurückzuführen.
Angeborene (kongenitale) Fehlbildungen der Arterien sind relativ selten. Hierzu gehören in erster Linie solche der Arterien an der Hirnbasis. Betroffen davon sind in erster Linie junge Menschen.
Bindegewebserkrankungen führen zu einer Schwäche des Bindegewebes der Gefäßwände. Hierzu gehören
- Marfan-Syndrom
- Ehlers-Danlos-Syndrom
- zystische Mediannekrose (Erdheim-Gsell-Syndrom)
Nicht-bakterielle entzündliche Erkrankungen (Vasculitiden) können ebenfalls zu einer Schwächung der Gefäßwände führen. Dann spricht man von einem inflammatorischen Aneurysma. Beispiele sind Entzündungen der Gefäßwand (Arteriitiden), etwa Periarteriitis nodosa oder die Takayasu-Arteriitis, eine Autoimmunerkrankung.
Bakterielle Infektionen führen zum mykotischen Aneurysma. Namensgebend ist hier das pilzartige Aussehen der Ausbuchtung. Hier wäre vor allem die Syphilis im Spätstadium zu nennen (Mesaortitis luica). Bis in die 1950er Jahre waren noch über die Hälfte aller Aneurysmen luetischen Ursprungs. Heute spielt die Syphilis bei dieser Erkrankung kaum noch eine Rolle.
Traumatische Ereignisse etwa bei Brustverletzungen können Aneurysmen auslösen. Ein Fall aus großer Höhe kann beispielsweise zum Reißen des Ligamentum arteriosum zwischen Aorta und Truncus pulmonalis und nachfolgender Aortendissektion führen. Verletzungen der inneren Gefäßwand bei einer Katheterisierung verursachen ein unechtes Aneurysma.
Aneurysma: Risikofaktoren
Angeborene (kongenitale) Aneurysmen sind genetisch bedingt und daher wenig beeinflussbar. In den Schlagadern treten diese ohnehin nur selten auf.
Erworbene Aneurysmen infolge arteriosklerotischer Veränderungen haben die gleichen Risikofaktoren wie alle ähnlichen Gefäßerkrankungen, die allerdings häufiger zu Gefäßverengungen als zu Gefäßerweiterungen führen:
- Bluthochdruck (Hypertonie)
- Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)
- Fettstoffwechselstörungen (Hyperlipidämie, Hypercholesterinämie)
- periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
- Nikotinabusus.
Aneurysma: Diagnose und Untersuchungsmethoden
Wichtig für die Diagnose ist die Erfragung der Krankengeschichte (Anamnese) zur Klärung vorhandener Risikofaktoren und Begleiterkrankungen. Es folgt eine körperliche Untersuchung. Diese umfasst
- Palpation der Pulsation
- Auskultation (Gefäßgeräusche)
- Ultraschalluntersuchung (Sonographie), etwa Doppler-Sonographie
- Röntgen
- Computertomographie (CT)
- Magnetresonanztomographie/Kernspintomographie/ Angio-MRT (MRT)
Thorakale Aneurysmen entdeckt man meistens zufällig bei Röntgenaufnahmen des Thorax oder Ultraschalluntersuchungen des Herzens. Eine weitere Abklärung erfolgt dann durch ein Angio-CT der Schlagader und die transösophageale Sonographie, bei der ein Ultraschallkopf in die Speiseröhre eingeführt wird.
Bauchaneurysmen werden in erster Linie sonographisch untersucht. Wegen der fehlenden Strahlenbelastung ist diese Methode bestens zur Verlaufskontrolle geeignet. Ein Angio-CT wird nötig, wenn der Durchmesser vier Zentimeter überschreitet. Mit dieser Methode lassen sich die morphologischen Parameter der Ausbuchtung präzise erfassen, sodass eine Operationsplanung möglich ist.
Aneurysma: Symptome und Anzeichen
Aneurysmen treten klinisch als asymptomatisch, symptomatisch oder rupturiert in Erscheinung. Sie bleiben lange Zeit symptomfrei (80 % aller Aneurysmen). Vereinzelt können große Aneurysmen bei ungünstiger Lage zu Verdrängungserscheinungen oder Druckgefühl führen. Bei Druck auf die Speiseröhre treten Schmerzen beim Schlucken auf, bei Druck auf die Hohlvene kommt es zu Einflussstauungen.
Durch die Ausbuchtungen der Gefäßwand kann das Blut nicht mehr laminar fließen, es kommt zu einer turbulenten Strömung. Dieses begünstigt die Entstehung lokaler Thrombosen, die zu einem Gefäßverschluss führen können. Losgelöste Thromben gelangen in den Blutkreislauf und können dort kleinere Gefäße blockieren (Embolisation).
Bei einem thorakalen Aortenaneurysma können Schmerzen in Brust, Schulter und Rücken, Heiserkeit, Atemnot und Schluckstörungen auftreten. Bei einer starken Einengung der Atemwege kommt es vermehrt zu Pneumonien und anderen Entzündungen. Meist bleibt es unentdeckt und wird beim Röntgen der Lunge oder anderen bildgebenden Verfahren zufällig gefunden.
Auch kleine Bauchaortenaneurysmen sind mehrheitlich befundlos und werden nur zufällig entdeckt, etwa bei der Sonographie des Abdomens. Die Symptome ähneln oftmals Rückenschmerzen wie einem Hexenschuss oder Nierenkoliken. Bisweilen treten Brust- und Bauchschmerzen, Übelkeit und Brechreiz auf. Diese Schmerzen sind Folge der Dehnung des Peritoneums und kommen durch den Druck auf lumbale Nerven zustande und gelten als Warnsignal für eine bevorstehende Ruptur. Ebenso machen sich sehr große Bauchaortenaneurysmen im Bauchraum durch ihren Puls bemerkbar. In beiden Fällen ist höchste Eile für eine Operation geboten, denn bei einer Ruptur verblutet der Patient innerhalb weniger Minuten.
Gefäßaussackungen in der Leiste und in der Kniekehlen kann man leicht ertasten. Sie fallen durch ihren Puls auf und bleiben meistens symptomlos. Häufig tritt Kribbeln und Taubheitsgefühl auf und die Wade schmerzt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn es durch einen festgesetzten Thrombus zu einer Embolie kommt.
Aussackungen der Hirnarterien sind fast immer symptomlos und werden meist erst erkannt, wenn es zu schwerwiegenden Problemen kommt. In einigen Fällen treten im Vorfeld Kopfschmerzen oder Nervenausfälle auf. Werden die Kopfschmerzen unerträglich und kommen Lähmungserscheinungen, steifer Nacken und Benommenheit bis hin zu Bewußtlosigkeit hinzu, sind das mögliche Anzeichen für Hirnblutung und Schlaganfall.
Aneurysma: Verlauf
Bei einer unvollständigen Ruptur kann es zu einem Aneurysma dissecans kommen, einem Hämatom zwischen der innersten Gefäßwand (Intima) und der mittleren Gefäßwand (Media).
Im Gehirn führen Aneurysmen zu Subarachnoidalblutungen, Einblutungen zwischen der inneren und der äußeren Hirnhaut. Eine intrakranielle Massenblutung bezeichnet man als Encephalorrhagie.
Kommt es zu einer vollständigen Ruptur, wird diese von plötzlichen, sehr heftigen Schmerzen begleitet. Vor allem bei den großen Gefäßen wie der Bauchaorta tritt innerhalb kürzester Zeit der Tod durch Verbluten ein. Der plötzliche Volumenmangel an Blut führt zu einem Schockzustand, den weniger als 10 % der Patienten überleben.
Aneurysma: Behandlung
Sehr kleine Aneurysmen sind nicht notwendigerweise behandlungsbedürftig, wenn ihre Lage eine plötzliche Ruptur unwahrscheinlich macht. Eine Operation wird nur anberaumt, wenn es zu schwerwiegenden Durchblutungsstörung kommt, vor allem im Bein. Dennoch müssen auch kleine, nicht versorgungspflichtige Aneurysmen regelmäßig untersucht werden, um akute und damit bedrohliche Veränderungen ausschließen zu können. Bei jenen der Bauchaorta kann das ohne Strahlenbelastung in halbjährlichen Abständen mittels einer Sonographie des Abdomens erfolgen.
Große Aneurysmen müssen möglichst frühzeitig operiert werden. Entscheidend sind Lage, Längenausdehnung und Beschaffenheit der Aussackung. Vor allem das Auftreten an der infrarenalen Bauchaorta ist gefährlich, da die Rupturgefahr hier sehr hoch ist. In der Regel werden thorakale und abdominale Aneurysmen ab einem Durchmesser von fünf Zentimetern operiert.
Ein Eingriff erfolgt je nach Indikation in Vollnarkose, Regional- oder Lokalanästhesie. Gefäßverstopfungen müssen unter Umständen im Vorfeld beseitigt werden. Hierzu führt man einen Gefäßkatheder über die Leiste zu der Stelle des Aneurysmas und appliziert dort ein Wirkstoff, der den Thrombus auflöst (Thrombolyse). Das kann mehrere Stunden dauern.
Bei einer offenen Operation (OAR) legt man einen Bypass. Dabei wird das ausgebuchtete Stück des Gefäßes durch eine Gefäßprothese aus Kunststoff oder eine körpereigene Vene umgangen. Meistens verwendet man dafür die große oberflächliche Hautvene des Beins (Vena saphena magna). Der Bluttransport wird bei ihrer Entnahme von umliegenden Gefäßen übernommen. Drückt die Aussackung auf das implantierte Gefäß, muss sie reseziert werden.
In einigen Fällen ist eine endovaskulären Aneurysmaausschaltung (EVAR) bei geraden Gefäßabschnitten etwa der Aorta möglich. Dabei setzt man eine innere Gefäßschiene (Stent) über einen Katheder in der Leiste ein. Deren Drahtgitter entfaltet sich nach der Implantation und setzt sich an der Stelle der Aussackung fest. Dadurch lässt sich die ausgebeulte Arterie verstärken und ein Reißen verhindern. Im Gegensatz zur OAR, die eine Vollnarkose erfordert, ist dieses minimalinvasive Verfahren unter örtlicher Betäubung möglich. Mittlerweile liegt der Anteil der EVAR bei über 70 % aller Bypass-Operationen, da sie wesentlich weniger riskant ist als die offene Operation.
Intrakranielle Aneurysmen verschließt man mit einem Clip (Clipping) oder einer Platinspirale (Coiling).
Popliteaneurysmen werden wie beschrieben mit einer Bypass-Operation umgangen.
Unterschied von Aneurysmen und Blutgerinnsel
Das Aneurysma ist die krankhafte Erweiterung und Ausbuchtungen von Blutgefäßen die Thromben bilden und so für Thrombosen und Embolien sorgen können. Ein Blutgerinnsel hingegen besteht aus geronnenem Blut, dem sogenannten Thrombus. Das Blutgerinnsel kommt meist an den Gefäßwänden vor und kann sich lösen und so Schlaganfälle auslösen.
Literatur:
Gerd Herold: Innere Medizin 2019. Verlag: G. Herold 2019. ISBN-10 3981466063.