Blutzuckerwerte in der Schwangerschaft » Schwangerschaftsdiabetes
Woher kommen erhöhte Werte
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Die Schwangerschaft ist eine körperliche Ausnahmesituation, in der Hormone und Stoffwechsel verrückt spielen. Unter Umständen geraten auch die Blutzuckerwerte in der Schwangerschaft durcheinander. Man spricht dann von Schwangerschaftsdiabetes oder Gestationsdiabetes. Auch wenn der nach der Geburt von alleine verschwindet, muss man ihn bereits vorher behandeln. Denn wenn das nicht geschieht, hat er für das ungeborene Kind unter Umständen schwere gesundheitliche Folgen.
Was ist Schwangerschaftsdiabetes?
Der Blutzucker steigt nach jeder Mahlzeit an, weil aus der Nahrung Kohlenhydrate aufgenommen und als Glukose mit dem Blut zu den Zellen des Körpers transportiert wird. Diese nehmen die Glukose aus dem Blut auf und verwenden sie für ihre Energiegewinnung. Für diese Aufnahme aus dem Blut ist Insulin erforderlich, ein Peptidhormon, das die Bauchspeicheldrüse in ihren Inselzellen (daher der Name) produziert und über das Blut im ganzen Körper verteilt.
Diabetes oder Zuckerkrankheit bedeutet, dass die Bauchspeicheldrüse zu wenig Insulin produziert (Diabetes mellitus Typ I) oder die Zellen das Insulin nicht über spezielle Rezeptoren aufnehmen können (Diabetes mellitus Typ II).
In der Schwangerschaft sorgt die veränderte Hormonlage für einen erhöhten Insulinbedarf. Funktioniert die Bauchspeicheldrüse ohnehin nicht ganz so wie sie sollte, kann sie irgendwann nicht mehr genug von dem Hormon herstellen. Das ist vor allem mit Fortschreiten der Schwangerschaft und immer höherem Insulinbedarf der Fall. Entsprechend treten erhöhte Blutzuckerwerte in der Schwangerschaft meist in der 24. bis 28. Woche auf.
Schwangerschaftsdiabetes betrifft nach Untersuchungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 13,2 % aller Schwangeren.
Symptome und Verlauf
Normalerweise produziert nicht nur das Kind selbst ab einem gewissen Alter Insulin, es bekommt auch eine Menge davon über Blut und Plazenta von seiner Mutter. Im Falle eines Schwangerschaftsdiabetes ist das jedoch zu wenig. Daher versucht der Körper des Ungeborenen den Insulinmangel wettzumachen und stellt selbst mehr davon her. Das hat jedoch zur Folge, dass das Kind sehr stark wächst und kräftig an Gewicht zulegt – mehr als gut wäre. Geburtsgewichte über acht Pfund sind bei einem Schwangerschaftsdiabetes keine Seltenheit.
Ein solcher Brocken will erst einmal geboren werden. Dementsprechend treten während der Geburt häufig Komplikationen auf und viele Kinder muss man per Kaiserschnitt entbinden. Damit nicht genug, ein Schwangerschaftsdiabetes erhöht auch das Risiko von Fehlgeburten und Totgeburten. Denn die Mangelversorgung führt zu Entwicklungsstörungen in Lunge, Leber und anderen Organen. Nach der Geburt sorgt die vergrößerte Bauchspeicheldrüse für Probleme, da sie zu Unterzuckerung, Atemaussetzern und Krampfanfällen führt.
Doch erhöhte Blutzuckerwerte in der Schwangerschaft sind nicht nur für das ungeborene Kind gefährlich, sondern auch für die Mutter. Häufig kommt es zu Schwangerschaftsvergiftungen (Gestosen) wie Präeklampsie, Eklampsie und HELLP-Syndrom, die für Mutter und Kind lebensgefährliche Ausmaße annehmen können. Ein unbehandelter Schwangerschaftsdiabetes erhöht das Risiko für solche unerwünschten Erscheinungen. Zudem treten gehäuft Harnwegsinfekte auf und das Risiko für die Entwicklung eines manifesten Diabetes mellitus Typ II wächst.
Durch eine rechtzeitige Erkennung und Behandlung des Schwangerschaftsdiabetes lassen sich solche gesundheitlichen Folgen für Mutter und Kind vermeiden.
Ursachen und Risiko
Ein Risiko für erhöhte Blutzuckerwerte in der Schwangerschaft ist gegeben, wenn
- die Mutter bereits dreißig Jahre oder älter ist, da das allgemeine Diabetesrisiko mit dem Alter ansteigt;
- die Mutter an Adipositas leidet, denn Fettleibigkeit erhöht das Risiko einer Diabeteserkrankung;
- in der Familie Fälle von Diabetes mellitus aufgetreten sind, denn Diabetes hat eine erbliche Komponente;
- ein Diabetesrisiko bereits bekannt ist, etwa weil erhöhte Blutzucker in der Schwangerschaft davor gemessen wurde oder weil man in der bestehenden Schwangerschaft mehrfach erhöhte Zuckerwerte gemessen hat.
Diagnose und Untersuchungsmethoden
In der Schwangerschaft sollten Sie regelmäßig Ihren Blutzucker kontrollieren lassen.
Einen einfachen Zuckerbelastungstest (Suchtest, oralen Glukosetoleranztest oGTT) kann Ihr Hausarzt oder Gynäkologe vornehmen. Hierfür müssen Sie nicht nüchtern erscheinen. Für den Test trinken Sie eine Zuckerlösung mit 50 Gramm Glukose (daher auch 50 g-oGGT). Nach einer Stunde bestimmt man den Blutzucker mit einem Teststreifen und Messgerät in einem Tropfen Blut aus der Fingerkuppe. Liegt der Blutwert über 135 mg/dl, besteht Verdacht auf Schwangerschaftsdiabetes; ist er niedriger, kann man diesen ausschließen.
Bei Verdacht auf Schwangerschaftsdiabetes erfolgt ein genauerer Test, der überprüft, wie sich der Blutzucker nach Zufuhr von Glukose im Zeitverlauf verändert. Für diesen 75 g – oralen Glukosetoleranztest (75 g-oGTT) sind streng standardisierte Vorbedingungen einzuhalten:
- Die Bestimmung erfolgt morgen zwischen 8:00 und 9:00 Uhr.
- Sie müssen nüchtern sein.
- Im Vorfeld dürfen Sie weder Alkohol getrunken noch rauchen.
- In den vorangegangenen 8-12 Stunden dürfen Sie keine Kalorien zuführen, weder mit Essen noch mit Flüssigkeit.
- An den drei vorangegangen Tagen müssen Sie sich normal ernährt haben. Das heißt, Sie dürfen Sie keine Diät machen und müssen täglich mehr als 150 Gramm Kohlenhydrate zu sich nehmen.
Der 75 g-oGGT läuft wie folgt ab:
- Bestimmung des Nüchternzuckers aus Kapillarblut oder venösem Blut aus der Armvene.
- Trinken von 250-300 Millilitern Wasser, in dem 75 Gramm Glukose gelöst wurden. Die Flüssigkeit muss innerhalb von fünf Minuten ausgetrunken sein.
- Messung des Blutzuckers nach einer Stunde.
- Messung des Blutzuckerwertes nach zwei Stunden.
Ein Schwangerschaftsdiabetes liegt vor, wenn der Nüchternzucker über 92 mg/dl, der Einstundenwert über 180 mg/dl und/oder der Zweistundenwert über 153 mg/dl liegt.
Das Ergebnis trägt der Arzt im Mutterpass ein. Die Untersuchung ist seit 2012 Teil der Mutterschaftsrichtlinien.
Behandlung
Meistens reicht es für die Verbesserung der Blutzuckerwerte aus, wenn Sie sich in der Schwangerschaft richtig ernähren. Dazu gehören vor allem mehrere kleinere Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten, die den Insulinbedarf über den Tag hinweg besser verteilen. Zuckerhaltige Lebensmittel, vor allem Limonaden, Bonbons und Süßigkeiten sollten Sie nur in Maßen zu sich nehmen. Gegebenenfalls können Sie auch Süßungsmittel anstelle von Zucker verwenden. Mit einer an Vitaminen und Ballaststoffen reichen und fettarmen Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Salat tun Sie sich nicht nur selbst etwas Gutes, sondern auch Ihrem heranwachsenden Kind.
Nur in Ausnahmefällen ist es notwendig, Insulin zu spritzen. Das ist heute einfach und unkompliziert mit Insulinpens möglich. Deren Nadeln sind mittlerweile so dünn, dass man den Einstich fast nicht mehr spürt. Welches Insulin angeraten ist und wie Sie die Anwendung vorzunehmen haben, teilt Ihnen Ihr Hausarzt beziehungsweise Gynäkologe mit. Er verschreibt Ihnen das richtige Präparat wie auch alles entsprechende Zubehör, also auch ein Blutzuckermessgerät mit Teststreifen. Damit können Sie Ihre Blutzuckerwerte leicht und einfach bestimmen und gegebenenfalls die Insulingabe anpassen.
Eine Behandlung mit blutzuckersenkenden Medikamenten (Metformin, Sulfonylharnstoffe) ist bei Schwangerschaftsdiabetes in Deutschland nicht zugelassen.
Vorbeugung
Wie immer gilt auch für erhöhte Blutzuckerwerte in der Schwangerschaft: Vorbeugen ist besser als heilen. Sollten Sie eine Schwangerschaft planen, empfiehlt sich bereits im Vorfeld eine Gewichtsreduktion, falls Sie an Übergewicht leiden. Adipositas ist einer der Faktoren, die wesentlich zum Risiko eines Schwangerschaftsdiabetes beitragen. Während der Schwangerschaft sind Diäten und Fastenkuren nicht mehr angebracht, da diese das Kind durch Nährstoffmangel gefährden könnten.
Mit einer Gewichtsabnahme auf Normalgewicht, leichter sportlicher Betätigung und gesunder Ernährung senken Sie zudem Ihr allgemeines Diabetesrisiko, sodass Sie sich damit selber langfristig einen großen Gefallen erweisen.
Literatur und Quellen
- Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM): Evidenzbasierte Leitlinie zu Diagnostik, Therapie u. Nachsorge der AWMF.
- Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung („Mutterschafts-Richtlinien“).
- Werner Rath, Klaus Friese: Erkrankungen in der Schwangerschaft. Stuttgart 2009: Georg Thieme-Verlag. ISBN-10: 3131467118
- Gerhard Grospietsch: Erkrankungen in der Schwangerschaft: Ein Leitfaden mit Therapieempfehlungen für Klinik und Praxis. 4. Auflage. Stuttgart 2004: Thieme/Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. ISBN-10: 3804720331
- Gerd Herold: Innere Medizin. Köln 2019: G. Herold-Verlag. ISBN-10: 3981466063
- Wolfgang Piper: Innere Medizin. 2. Auflage. Stuttgart 2012: Springer-Verlag. ISBN-10: 3642331076.
- Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. Berlin 2019: Walter de Gruyter-Verlag. ISBN-10: 3110339978.