Was sind Erythroblasten »
Aufbau und Funktionen
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Erythroblasten sind die kernhaltigen Zellen, aus denen sich die Retikulozyten und letztlich Erythrozyten entwickeln. Sie sind normalerweise nur im roten Knochenmark anzutreffen. Tauchen sie im peripheren Blut auf, deutet das auf eine gesteigerte Bildung roter Blutkörperchen oder Blutkrebs hin.
Begriff: Erythroblasten auch veraltet Normoblasten
Synonyme: orthochromatischer Erythroblast, oxyphiler Erythroblast
Was ist ein Erythroblast?
Die Endung –blasten bezeichnet in der Hämatologie Vorläuferzellen. Im Falle der Erythroblasten handelt es sich um die Vorgänger von Erythrozyten, den sauerstofftransportierenden roten Blutkörperchen. Sie werden im roten Knochenmark gebildet und in Form von Retikulozyten in die Blutbahn entlassen, wo sie sich innerhalb von ein bis zwei Tagen zu voll funktionstüchtigen Erythrozyten entwickeln.
Erythroblasten enthalten im Gegensatz zu Erythrozyten noch einen Zellkern. Im Laufe der Entwicklung wird dieser aus den Zellen ausgestoßen, sodass die Lebenszeit des verbleibenden Zellleibes mangels RNA- und Proteinsynthese beschränkt ist.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Als Erythroblasten bezeichnet man die Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen.
- Sie besitzen noch einen Zellkern, der in der weiteren Entwicklung abgestoßen wird.
- Als Retikulozyten werden sie aus dem Knochenmark entlassen und reifen zu funktionstüchtigen Erythrozten heran.
- Im Blut treten Erythroblasten nur bei Neugeborenen auf. Bei Erwachsenen sind sie dort nur zu finden, wenn die Erythropoese gesteigert ist oder ein malignes Geschehen im Knochenmark stattfindet.
- Bestimmte morphologische Kennzeichen der dann im Blutausstrich anzutreffenden Erythroblasten lassen auf hämatologische Systemerkrankungen schließen.
Erythropoese
Die Bildung der roten Blutkörperchen oder Erythropoese ist ein mehrstufiger Prozess, der im roten Knochenmark stattfindet. Dieses bildet das Innere der großen Röhrenknochen wie den großen Bein- und Armknochen oder des Beckens.
Pluripotente und unipotente Stammzellen
Ausgangspunkt ist eine pluripotente Stammzelle. Pluripotent bedeutet, dass sie in der Lage ist, eine Vielzahl verschiedener Abkömmlinge zu bilden – eine Abstufung von omnipotent, was sinngemäß so viel wie allmächtig bedeutet. Aus dieser Stammzelle entwickeln und differenzieren sich Vorläuferzellen, die sich immer weiter spezialisieren und letztlich nur noch für die Herstellung bestimmter Zelltypen verantwortlich werden. Im letzten Schritt sind sie unipotent und bilden nur noch eine Sorte Zellen.
Im Falle der Erythrozyten ist das die erythropoetin responsive cell (ERC). Waren zuvor Interleukine und Cytokine für das Wachstum der mesenchymalen Vorläuferzellen verantwortlich, reagiert die ERC nur noch auf den Wachstumsfaktor Erythropoetin. Dieser ist besser bekannt unter dem Akronym EPO – und als Dopingmittel. Als solches dient EPO der Steigerung der Bildung roter Blutkörperchen und damit der erhöhten Fähigkeit zum Sauerstofftransport.
Der menschliche Körper selbst bildet EPO in den Nieren, die somit wichtige Organe der Blutbildung sind. Je weniger Sauerstoff im Blut zirkuliert, desto mehr EPO produzieren sie, und umso mehr stimuliert dieses die Erythropoese.
Proerythroblasten
Die Vorstufe der Erythroblasten sind die aus den ERC gebildeten Proerythroblasten. Sie sind mit 17 – 24 µm Durchmesser wesentlich größer als die fertigen Erythrozyten (7,5 µm) und weisen einen rundlichen, großen Zellkern auf, der fast das gesamte Innere ausfüllt. In der panoptischen Färbung nach Pappenheim sind die riesigen Zellen im Ausstrich von Knochenmark leicht zu identifizieren, da sie ein blauviolettes, sehr gleichmäßiges Chromatin und deutliche dunkle Nukleoli im Kern besitzen und das Zytoplasma stark basophil und damit blau gefärbt erscheint.
Basophile Erythroblasten
Die nachfolgende Entwicklungsstufe ist mit 12 – 17 µm bereits deutlich kleiner. Den Namen haben sie von ihrer intensiven blauen Anfärbung des dünnen Zytoplasmasaums mit den basischen Farbstoffen der Pappenheim-Färbung. Auffällig ist eine ringförmige Aufhellung rund um den blauvioletten Zellkern. Im Gegensatz zu den Proerythroblasten erscheint der Zellkern leicht körnig.
Polychromatische Erythroblasten
sind mit 11 – 15 µm nur geringfügig kleiner, aber der Kern hat deutlich an Größe verloren, sodass das Zytoplasma deutlicher zutage tritt. Es ist in der panoptischen Färbung erst blaugrau, später leicht rosa. Der runde Kern ist tiefviolett und weist verdichtetes Chromatin auf.
Orthochromatische Erythroblasten
Die Tendenz zur Verkleinerung hält weiter an. Orthochromatische Erythroblasten sind mit 8 – 12 µm Durchmesser schon fast so klein wie Erythrozyten. Ihren Namen haben sie von der zartrosa Anfärbung ihres Zytoplasmas, das bereits der Farbe der reifen roten Blutkörperchen entspricht (orthochromatisch = regelrecht gefärbt). Der Zellkern ist weiter verkleinert und noch dichter und dunkler violett als jener der poylchromatischen Erythroblasten. Man bezeichnet ihn als pyknotisch – geschrumpft und verdichtet, wie es sonst bei absterbenden (apoptotischen) Zellen der Fall ist.
Die orthochromatischen Erythroblasten denken noch lange nicht an den Zelltod – stattdessen stoßen sie den pyknotischen Zellkern aus. Geschieht dieser Kernverlust nicht vollständig und bleiben Chromatinrest in der Zelle, bezeichnet man diese in den fertigen Erythrozyten als Howell-Jolly-Körperchen. Sie werden normalerweise bei der ersten Passage durch die Milz aus den Zellen entfernt.
Retikulozyten und Erythrozyten
Die kernlos gewordenen Erythroblasten nennt man Retikulozyten. Sie weisen noch Reste von Zellorganellen und RNA auf, die man mit besonderen Färbemethoden darstellen kann und als Substantia granulofilamentosa bezeichnet. Innerhalb von zwei Tagen werden auch diese Reste abgebaut und ein fertiger Erythrozyt bleibt übrig.
Pathologische Erythroblastenformen
Megaloblastäre Erythroblasten
sind vergrößerte Erythroblasten. Die Riesenzellen entstehen bei Vitamin B12- oder Folsäuremangel, die für die Bildung roter Blutkörperchen notwendig sind. Die resultierende Blutarmut bezeichnet man als perniziöse Anämie beziehungsweise Folsäuremangelanämie. Dabei ist die Teilungsrate der Erythroblasten herabgesetzt, und es entstehen die riesigen Megaloblasten.
Dysplastische Erythroblasten
entstehen bei hämatologischen Systemerkrankungen wie Leukämien. Sie führen zu jeweils typischen Veränderungen wie einer basophilen Tüpfelung, Vakuolenbildung im Zytoplasma und pyknotischen, fragmentierten Kernen (Karyorhexis).
Quellen, Links und weiterführende Literatur
- Barbara J. Bain, Dieter Huhn, Andreas Kage: Roche Grundkurs Hämatologische Morphologie. 1. Auflage. Stuttgart 1997: Thieme-Verlag. ISBN-10: 3131376511.
- Mathias Freund: Praktikum der mikroskopischen Hämatologie. 11. Auflage. Göttingen 2008: Urban & Fischer/Elsevier-Verlag. ISBN-10: 3437450395.
- »NRBC« nucleated red blood cells« kernhaltige Vorstufen der roten
Blutzellen, auch als Erythroblasten bekannt. abgerufen