Herzinfarkt Verlauf und Komplikationen
Was passiert bei einem Herzinfarkt
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Bei einem Herzinfarkt (Myokardinfarkt) ist eines der Herzkranzgefäße verstopft, sodass das Herz selbst in den abgeschnittenen Bereichen keinen Sauerstoff bekommt. In der Folge sterben diese Bereiche ab und sind daher nicht mehr an der Pumpleistung des Herzens beteiligt. Auch wenn man nicht unmittelbar an dem Herzinfarkt verstirbt, hat das weitreichende gesundheitliche Folgen für den Patienten und kann zu zahlreichen Komplikationen führen.
Der Herzinfarkt in seinem Verlauf: Deine Gefäße, meine Gefäße
Unser Herzmuskel arbeitet Tag und Nacht unablässig an der Blutversorgung des Körpers. Die rechte Herzhälfte pumpt das verbrauchte kohlendioxidreiche Blut in den Lungenkreislauf, der es mit Sauerstoff anreichert. Wieder im Herzen angelangt, sorgt die linke Herzhälfte dafür, dass der Körperkreislauf das sauerstoffreiche Blut erhält.
Natürlich braucht der Ausdauersportler Herzmuskel auch selbst Sauerstoff und Nährstoffe für seine unablässige Arbeit. Dafür hat er spezielle „private“ Gefäße (Vasa privata), die von den für Lungen- und Körperkreislauf zuständigen „öffentlichen“ Gefäßen (Vasa publica) zu unterscheiden sind. Man kennt diese besser als Herzkranzgefäße oder Koronararterien (von lateinisch corona, Kranz oder Krone). Der Name rührt daher, dass sie das Herz kranzförmig umspannen. Sie entspringen der Hauptschlagader (Aorta) unmittelbar nach Verlassen der linken Hauptkammer und sitzen sozusagen an der Quelle des sauerstoffangereicherten Blutes.
Die linke Herzkranzarterie (Arteria coronaria sinistra, left coronal artery LCA) teilt sich in zwei Äste, von denen der eine auf der Vorderseite des Herzens zwischen den beiden Hauptkammern nach unten verläuft (Ramus interventricularis anterior, RIVA). Der zweite Ast (Ramus circumflecus, RCX) geht einmal um das Herz herum. Sie versorgen die linke Vorkammer und die linke Hauptkammer sowie einen Teil der Herzscheidewand.
Die Blutversorgung des anderen Teils der Herzscheidewand sowie des rechten Ventrikels und des rechten Vorhofs übernimmt die rechte Herzkranzarterie (Arteria coronaria dextra, right coronal artery RCA).
Die relativ kleinen Gefäße haben eine Menge zu tun, denn das Herz selbst braucht unter Ruhebedingungen rund 300 Milliliter sauerstoffreiches Blut pro Minute. Das sind rund fünf Prozent des gesamten Blutvolumens, obwohl das faustgroße Organ nur ein halbes Prozent des Körpergewichtes wiegt.
Nach der Versorgung des Herzmuskels gelangt das Blut über die Koronarvenen (Venae cardiacae) und den linken Vorhof zurück in den Kreislauf.
Was passiert bei einem Herzinfarkt im Verlauf
Bei einem Herzinfarkt ist eines dieser Herzkranzgefäße verschlossen. Meist geschieht dies infolge einer Koronarstenose, bei der die Arteriosklerose die Herzkranzgefäße zusehends einengt. Diese wird auch gefährlich, wenn durch Verletzung einer lokalen Verkalkung die Blutgerinnung in Gang gesetzt wird und ein Blutgerinnsel bildet (Koronarthrombose). Ein solches Blutgerinnsel kann auch an anderer Stelle, etwa in den Beckenvenen oder tiefen Beinvenen entstehen und ins Herz gelangen (Thromboembolie).
In der Folge erhalten die normalerweise von dem betroffenen Gefäß versorgten Bereiche keine Nährstoffe und keinen Sauerstoff mehr. Sie werden nekrotisch und sterben ab.
Der Herzinfarkt – Wie äußert er sich in der Anfangsphase?
Der Patient bemerkt die ersten Anzeichen eines Herzinfarktes oftmals recht früh. Er äußert sich in
- anhaltenden drückenden und brennenden, oft extrem starken Schmerzen im Brustbereich, vor allem im vorderen linken Brustkorb,
- die in Schulter, Arm, Kiefer und Oberbauch ausstrahlen.
- Der Puls beschleunigt,
- Schweißausbrüche treten auf und
- der Blutdruck fällt. Hinzu kommen
- Atemnot und
- Übelkeit bis hin zum Erbrechen, die
- Angstzustände und Panikattacken auslösen. Bei alledem erscheint der Patient
- kaltschweißig und
- bleich im Gesicht.
- Gesteigertes Durstgefühl kann hinzukommen.
Kennzeichnend ist für einen Herzinfarkt, dass der Verlauf durch Nitrospray nicht beeinflussbar ist. Daher bessern sich die Brustschmerzen nicht, wie das bei koronarer Herzkrankheit und einem normalen Angina pectoris-Anfall der Fall wäre.
Bei Frauen, Diabetikern, Demenzpatienten und Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz sind diese Symptome oftmals weniger ausgeprägt und machen den Herzinfarkt umso gefährlicher, da ihm weniger Beachtung geschenkt wird. Dabei ist in jedem Fall eine sofortige medizinische Versorgung notwendig, um die Folgeschäden so gering wie möglich zu halten. In diesem Personenkreis gibt es vermehrt Fälle, in denen der Patient von seinem Herzinfarkt sogar überhaupt nichts mitbekommt (stummer Herzinfarkt).
Ein solcher Gefäßverschluss kann recht zügig Kammerflimmern auslösen, das zusammen mit außerplanmäßigen Herzschlägen (Extrasystolen) für die meisten unmittelbaren Tode bei einem Herzinfarkt verantwortlich zeichnet.
Kritisch für die unmittelbare Bedrohlichkeit eines Herzinfarktes ist vor allem die Lage und Größe des betroffenen Bereiches. Ein Patient überlebt unter Umständen mehrere kleinere Herzinfarkte, wenn diese nicht gerade die für die Reizleitung oder sonstige Herzfunktion wichtigsten Teile des Herzmuskels betreffen. Andererseits hat ein ausgedehnter oder ungünstig gelegener Herzinfarkt den sofortigen Tod zur Folge. Weitere wichtige Faktoren für die Überlebenswahrscheinlichkeit sind das Alter des Patienten und sein Gesundheitszustand.
Komplikationen im Verlauf des Herzinfarkt
Überlebt der Patient, führt die Sauerstoffminderversorung bereits nach vier bis sechs Stunden zu irreversiblen Schädigungen des Herzmuskels. Das absterbende Gewebe wird resorbiert (Myozytolyse) und durch Bindegewebe ersetzt. Das führt zur Bildung einer Vernarbung (ischämische Myokardnekrose). Die Ausbildung des Narbengewebes nimmt etwa zwei Wochen in Anspruch.
Dass gesundes, kontraktionsfähiges Muskelmaterial durch Bindegewebe ersetzt wird, hat schwerwiegende Folgen für die Herzfunktion. Das Bindegewebe kann sich nicht kontrahieren, sodass die Muskelleistung in diesem Bereich geschwächt ist. Zudem beult sich die Narbe je nach Lage und Belastungssituation aus, was einen Teil des Blutes der Pumpleistung entzieht. Außerdem haben die so gebildeten sackförmigen Herzwandaneurysmen eine nur dünne Wand, die bei hoher Belastung jederzeit reißen kann und durch Einblutung in das Perikard zu Herzbeuteltamponade und sofortigem Tod führt.
Insgesamt geht die Herzleistung zurück und es kommt zu einer Herzinsuffizienz. Je nach Lage des betroffenen Bereiches spricht man von einer Linksherzinsuffizienz oder einer Rechtsherzinsuffizienz. Sie äußern sich in Wassereinlagerungen (Ödembildungen und Bauchwassersucht, Aszites), Müdigkeit und Erschöpfungszuständen, geringer körperlicher Belastbarkeit mit Atemnot (Belastungsdyspnoe) und Problemen im Magen-Darm-Trakt.
Darüber hinaus leiten die vernarbten Bereiche keine elektrischen Pulse mehr weiter. Sie können nicht nur nicht mehr kontrahieren, sondern schneiden andere Bereiche von den Schrittmacherimpulsen des autonomen Nervensystems des Herzens ab. Die Folge sind Herzrhythmusstörungen. Als besonders fatal erweisen sich Schäden, die das Reizleitungssystem sozusagen an der Wurzel angreifen, etwa am primären Schrittmacher Sinusknoten.
Bei einem Herzinfarkt ist im Verlauf die Kombination von Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen oftmals fatal, denn sie begünstigt die Bildung neuer Blutgerinnsel und erhöht so das Risiko weiterer Herzinfarkte. Darüber hinaus können sich die hier gebildeten Thromben anderswo im Körper festsetzen und so Lungenembolien, Schlaganfälle, Niereninfarkte und Darminfarkte verursachen.
Selbst ohne solche Extreme führen Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen zu einer verminderten Sauerstoffversorgung des Körpers, die sich vor allem im Gehirn äußert. Sie führt zu Benommenheit, Verwirrungszuständen, Schwindel (Vertigo), Ohnmachtsanfällen mit kurzfristigen Bewusstseinsverlusten (Synkopen). Darüber hinaus leiden viele Herzinfarktpatienten an Lähmungserscheinungen und Bewegungseinschränkungen oder es treten Sprachstörungen und Orientierungsprobleme auf.
Ebenso sind auch andere Organe betroffen, auch wenn diese nicht ganz so viel Sauerstoff benötigen wie das Gehirn.
Seltenere Komplikationen sind Beeinträchtigungen der Herzklappen, bei denen beispielsweise die Sehnenfäden der Segelklappen (Mitralklappe und Trikuspidalklappe) abreißen. Dies führt dazu, dass sich diese nicht mehr richtig schließen können und eine Herzklappeninsuffizienz auftritt (Mitralklappeninsuffizienz, Trikuspidalklappeninsuffizienz). Ebenfalls eher selten sind Entzündungen im Bereich des Herzens, wie solche des Herzmuskels (Myokarditis) und/oder des Herzbeutels (Perikarditis, Perimyokarditis).
Die Schädigung bei einem Herzinfarkt kann im Verlauf so weit gehen, dass das Pumporgan plötzlich und ohne große Vorankündigung seinen Dienst versagt (kardiogener Schock). Beim plötzlichen Herztod führen übermäßig beschleunigter, unkoordinierter Herzschlag (Tachykardie) und Kammerflimmern für ein Absinken der Pumpleistung auf praktisch null. In den Konsequenzen entspricht das denen eines Herzstillstandes. Binnen kürzester Zeit kommt es zu einer Bewusstseinseintrübung, Ohnmacht und Hirntod infolge Sauerstoffmangels. Der Tod kann dabei innerhalb von Sekunden eintreten (Sekundentod, sudden cardiac death SCD).
Ein Herzinfarkt kann im Verlauf weiter gefährlich bleiben. Die Vorschädigungen machen weitere Herzinfarkte und einen vorzeitigen Tod wesentlich wahrscheinlicher. Nach einem Jahr leben noch achtzig Prozent der Patienten, die den ersten Tag überstanden haben. Innerhalb der ersten beiden Jahre versterben bis zu zehn Prozent, in einem Zeitraum von sechs Jahren etwa zwei Prozent der von einem Herzinfarkt betroffenen Personen.
Fazit: Schnelle Hilfe rettet Leben!
Der Verlauf und die weitreichenden Komplikationen zeigen, dass eine schnellstmögliche medizinische Versorgung bei einem Herzinfarkt unbedingt notwendig ist. Jeder vierte Patient überlebt den Herzinfarkt nicht, weil er nicht rechtzeitig in das nächstgelegene Krankenhaus gebracht und notfallmedizinisch versorgt wird. Selbst bei Herzstillstand kann eine rechtzeitige Wiederbelebung durch Herzdruckmassage und Defibrillation noch viele Patienten retten.
Wie Sie sich im Falle eines Herzinfarktes richtig verhalten, erfahren Sie in unserem Beitrag Notruf beim Herzinfarkt oder im Notfall – Wie macht man das richtig. Wie Sie sich selbst verhalten sollten, bis die Rettungskräfte eintreffen, darüber informiert Sie unser Artikel Herzinfarkt Erste Hilfe – Anleitung – Was muss ich tun? Je früher sich ein Notarzt um den Infarktpatienten kümmert, desto besser sind seine Überlebenschancen.
Hat ein Patient einen Herzinfarkt überlebt, verbessert eine medikamentöse Therapie und Umstellung der Lebensweise seine weiteren Überlebensaussichten ganz wesentlich. Dazu gehören vor allem
- Umstellung auf eine gesunde und ballaststoffreiche, fettarme Ernährung
- Abbau von Übergewicht
- Vermeidung von Stress
- Verzicht auf Nikotin, Alkohol und ein Übermaß an Koffein
- Einstellung des Cholesterinspiegels und der Blutfettwerte
- leichte sportliche Betätigung (Schwimmen, Fahrradfahren, Nordic Walking)
- regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Hausarzt
- regelmäßige Kontrolle des Blutdruckes.
Literatur und Quellen
- Erland Erdmann (Hrsg.) Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße. Stuttgart 2011: Springer-Verlag. ISBN-10: 3642164803.
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- Lewalther, Th. (Hrsg.): Herzrhythmusstörungen: Diagnostik und Therapie. 6. Auflage. Berlin 2010: Springer Verlag. ISBN-10: 3540767541.
- Kuriachan VP, Sumner GL, Mitchell LB (2019): Sudden cardiac death. Curr Probl Cardiol. 40(4): 133-200.
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