Siderozyten » Ursachen, Entstehung und Bilder
Erythrozyteneinschlüsse: Pappenheimer-Körperchen
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Blutzellen mit Pappenheimer-Körperchen bezeichnet man als Siderozyten. Es handelt sich dabei um Eisenverbindungen, die bei beschleunigter Blutbildung oder beeinträchtiger Hämoglobinsynthese in roten Blutkörperchen zu finden sind.
Siderozyten wurden 1945 von dem amerikanischen Bakteriologen und Immunologen Alwin M. Pappenheimer erstmalig beschrieben. Er fand im Blutausstrich von Patienten nach Milzentfernung (Splenektomie) rundliche, rötlich-violette Einschlüsse nahe der Zellmembran von Erythrozyten. Mit einer Berliner Blau-Färbung konnte er nachweisen, dass es sich dabei um Eisenverbindungen handelte und nicht um die ganz ähnlichen Howell-Jolly-Körperchen, basophile Tüpfelung oder das Bakterium Bartonella.
Ihm zu Ehren nannte man diese Einschlüsse später Pappenheimer-Körperchen (Pappenheimer bodies). Die auch als Siderosomen bezeichneten Einschlüsse sind typisch für Siderozyten – eisenhaltige Erythrozyten (Σιδηρώ, griechisch die Eiserne). Gemeint ist damit Eisen außerhalb des Hämoglobins, wo es als Zentralatom wichtig für den Sauerstofftransport ist.
Das Wichtigste auf einen Blick!
- Siderozyten sind rote Blutkörperchen, die Einschlüsse von nicht an Hämoglobin gebundenem Eisen enthalten.
- Diese Einschlüsse bezeichnet man als Siderosomen oder Pappenheimer-Körperchen.
- Im Blutausstrich besteht Verwechslungsgefahr mit den ähnlichen Howell-Jolly-Körperchen, aufgelagerten Blutplättchen oder basophiler Tüpfelung.
- Eindeutig nachweisen lassen sie sich mit der für Eisenverbindungen spezifischen Berliner Blau-Färbung.
- Das gehäufte Auftreten von Siderozyten im Blutbild deutet auf beschleunigte Blutbildung oder beeinträchtigte Hämoglobinsynthese hin.
Funktionsweise der Siderosomen
Im Körper liegt Eisen gebunden an Proteine vor. Neben dem Hämoglobin der roten Blutkörperchen und dem Myoglobin des Muskels handelt es sich dabei um die Speicherform Ferritin (Depot-Eisen) in Leber, Milz und Knochenmark und die Transportform Transferrin, das in der Leber gebildet Eisen mit dem Blutserum an seinen Bestimmungsort bringt.
Siderosomen bestehen aus dem Speichereisen Ferritin. Außer in roten Blutkörperchen in Form von Siderozyten findet man ähnliche Einschlüsse auch in ihren Vorstufen, den Erythroblasten, die dann als Sideroblasten bezeichnet werden. Hier sind sie völlig normal und in bis zu 60 Prozent der Zellen zu finden. Reihen sie sich ringförmig um den hier noch vorhandenen Zellkern, spricht man von Ringsideroblasten. Sie treten bei Bleivergiftung gehäuft auf.
Ebenso kann man sie bisweilen in Blutplättchen (Thrombozyten) antreffen, die aus der gleichen Vorläuferreihe stammen. Außerdem findet man sie in Zellen des netzartigen retikulären Bindegewebes.
Vorsicht, Verwechslungsgefahr!
Ein spezifischer Nachweis von Siderosomen ist nur mit der Berliner Blau-Reaktion möglich. Im hämatologischen Labor wendet man diese nur in speziellen Fällen an. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Siderosomen in Zählgeräten mit Thrombozyten verwechselt werden und eine Thrombozytose vortäuschen.
Bei der klassischen Auswertung eines Blutausstriches nach panoptischer Färbung nach Pappenheim (übrigens ein anderer Namensgeber als bei den Pappenheimer-Körperchen) besteht Verwechslungsgefahr mit Howell-Jolly-Körperchen, die aus Kernresten bestehen, den Zellen aufliegenden Thrombozyten oder der basophilen Tüpfelung.
Wie entstehen Siderozyten?
Die Erythroblasten erhalten das für die Hämoglobinsynthese notwendige Eisen aus dem retikuloendothelialen System (RES), in dem Makrophagen überalterte und von der Milz aussortierte Erythrozyten abbauen und ihr Eisen wiederverwerten. Sie binden die Eisenionen an das Protein Apoferritin und bilden so die Speicherform Ferritin, das im Zytoplasma auf Abruf bereitsteht.
Im Laufe der Erythropoese wird Eisen aus dem Ferritin in das Häm des roten Blutfarbstoffes eingebaut. Was übrig bleibt, geben die Retikulozyten ab, bevor sie das Knochenmark verlassen und im peripheren Blut zu Erythrozyten heranreifen. Makrophagen nehmen das Eisen auf und stellen es jüngeren Vorstufen erneut zur Verfügung.
Sollten noch Reste von Siderosomen übrig bleiben, werden diese bei der ersten Passage eines neuen Erythrozyten durch die Milz herausgepresst. Demensprechend findet man bei Gesunden höchstens drei Prozent Siderozyten an der Erythrozytenpopulation.
Wann treten vermehrt Siderozyten auf?
Man findet vermehrt Siderozyten im Blutausstrich, wenn Störungen der Eisenverwertung, Hämsynthese oder Hämogloginsynthese vorliegen.
Eisenverwertungsstörungen reduzieren die Erythropoese und sind häufig auf Folsäuremangel oder Vitamin B12-Mangel zurückzuführen. Die Folge ist eine Folsäure-Mangelanämie oder Vitamin B12-Mangelanämie (perniziöse Anämie).
Die Hämsynthese ist bei sideroblastischen Anämien und Bleivergiftung gestört. Veränderungen der Hämoglobinbildung sind typisch für Thalassämien. Zu solchen Störungen kommt es auch infolge übersteigerter Erythropoese infolge einer hämolytischen Anämie, etwa bei der Sichelzellanämie.
Fehlt die Milz infolge Splenektomie, bleiben die Reste von Siderosomen in den Siderozyten, sodass diese gehäuft im Blut erscheinen.
Quellen, Links und weiterführende Literatur
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- Sears DA, Udden MM: Pappenheimer bodies: a brief historical review. Am J Hematol. 2004 Apr;75(4):249-50. Review.
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